Ein Mittel gegen das Goldfieber

Gemeinden in Bolivien erklären sich zu bergbaufreien Territorien

Im März 2025 überstieg der Goldpreis zum ersten Mal in seiner Geschichte die Marke von 3000 US-Dollar pro Feinunze. Viele Regierungen und Unternehmen suchen angesichts des von Trump ausgelösten Handelskriegs und der geopolitischen Streitigkeiten Zuflucht in Gold. Die Nachfrage nach Gold steigt weltweit – außer in ein paar Gemeinden im bolivianischen Amazonasgebiet, die entschlossen sind, den Vormarsch des Goldabbaus zu stoppen, um ihre agrarökologische Produktion zu erhalten.

von Pablo Solón, Erschienen in ILA 484, Das Lateinamerika-Magazin, April 2025 ila-web.de

In Bolivien gibt es mehr als 1300 Goldkooperativen, vor allem entlang der Flüsse des Amazonasgebietes. Die meisten dieser Bergbaugenossenschaften arbeiten illegal und befinden sich hauptsächlich in den Gemeinden Teoponte, Tipuani, Mapiri und Guanay in der Nähe der agrarökologischen Gemeinden Alto Beni und Palos Blancos. Bolivien gehört zu den weltweit größten Importeuren von Quecksilber. Dieses chemische Element wird benutzt, um das in den Flüssen des Amazonasgebietes gefundene Gold zu isolieren und zu konzentrieren. Sobald das Quecksilber freigesetzt wird, wandeln es bestimmte Bakterien in seine giftigste organische Form um, in Methylquecksilber, das in die Nahrungskette von Pflanzen, Fischen, Vögeln und Menschen gelangt. Aus einer aktuellen Studie geht hervor, dass die indigenen Völker der Esse Ejjas, Tsimanes und Mosetenes flussabwärts von Goldminen bis zu sieben Mal mehr Quecksilber in ihren Körpern aufweisen als von der Weltgesundheitsorganisation erlaubt. Der Kontakt mit Quecksilber kann die Entwicklung von Kindern sowie das Nerven-, Verdauungs-, Nieren- und Herz-Kreislauf-System von Erwachsenen irreversibel schädigen.

Doch die Folgeschäden des Goldfiebers sind weit mehr als das Quecksilber. Überall, wo die Bergbaukooperativen tätig sind, werden Tausende von Tonnen Erde und Gestein abgetragen. Dafür werden Wälder abgeholzt und Flussläufe verändert, was Überschwemmungen verschlimmert, von denen die Bergarbeiter*innen selbst betroffen sind. Hinzu kommen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen im Goldbergbau und die Ausbreitung von Prostitution, Alkoholismus, Drogen, Gewalt und Konflikten.

Die eigentlichen Nutznießer der Bergbautätigkeit sind einige wenige kolumbianische, chinesische, russische und bolivianische Investoren, die den Kooperativen Maschinen und Kapital zur Verfügung stellen und im Gegenzug einen Teil ihrer Produktion erhalten. Der bolivianische Staat bekommt nur 2,5 Prozent des Wertes aller Goldexporte. Allerdings sind alle Regierungen gegenüber den Bergbaukooperativen sehr nachsichtig, weil sie mobilisierungsfähig sind und eine große Masse von Wähler*innen repräsentieren.

Schokolade statt Gold

Der agrarökologische Anbau in den Gemeinden Alto Beni und Palos Blancos, gut 230 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt La Paz, hat seine Wurzeln im Genossenschaftsdachverband El Ceibo, der 1977 für den ökologischen Kakaoanbau gegründet wurde. Die von Wanderbäuer*innen aus dem Hochland gegründeten Genossenschaften exportierten 1987 erstmals biologisch zertifizierten Kakao in die USA. Heute gehören zu El Ceibo 49 Kooperativen, 1300 Mitglieder, die Landwirtschaft betreiben, sowie eine Kakao- und Schokoladenfabrik in der Stadt El Alto. El Ceibo exportiert 40 Prozent seiner biozertifizierten Produktion in verschiedene Länder.

Der Kakao wird auf kleinen Parzellen von drei bis vier Hektar ohne den Einsatz von Agrarchemikalien oder Gentechnik angebaut. Die Bäuer*innen ernten den Kakao und lassen ihn in der Sonne trocknen, während sie aus den Resten Kompost herstellen, um die Bodenerträge zu steigern. Im Laufe der Jahre haben beide Gemeinden agroforstwirtschaftliche Systeme eingeführt und bauen inzwischen Zitrusfrüchte, Papaya, Bananen, die mit dem Kakao verwandte Cupuaçu, Maracuja und andere Produkte an.

Die beiden Gemeinden trennt der Fluss Alto Beni und durch ihr Gebiet fließen mehrere Wasserläufe, die ihre agrarökologische Produktion ermöglichen. In den letzten zehn Jahren wurden jedoch für fast all diese Flüsse bei der bolivianischen Bergbaubehörde (AJAM, Autoridad Jurisdiccional Administrativa Minera) Anträge für den Goldabbau gestellt.

Ein Shirt für den Vizepräsidenten

Seit 2017 haben mehrere Organisationen in der Region, darunter El Ceibo, Erklärungen gegen den Goldabbau in beiden Gemeinden veröffentlicht. Anfang 2021 lehnte die Organisation des indigenen Volkes Mosetén (OPIM), deren Territorium größtenteils in der Gemeinde Palos Blancos liegt, 17 Bergbaukonzessionen für eine Fläche von 84 800 Hektar auf ihrem Gebiet rundweg ab. Ebenfalls 2021 verabschiedeten beide Gemeinden Verordnungen, mit denen sie sich zu agrarökologischen Gemeinden erklären, frei von Bergbauaktivitäten und Kontamination. Die Gemeindebeschlüsse bekräftigten die Entschlossenheit, Palos Blancos und Alto Beni agrarökologisch und bergbaufrei zu halten. Aber es gab weitere Übergriffe von Mitgliedern der Bergbaugenossenschaften und Anträge auf Verfahren vor der AJAM.

Im Juni 2023 legte die Ombudsstelle beim Gericht von Palos Blancos Rechtsmittel ein, um einen Beschluss der AJAM rückgängig zu machen. Der hatte eine Konsultation genehmigt, um in beiden Gemeinden eine Konzession erteilen zu können. Der Richter erklärte den Beschluss der Behörde für ungültig und forderte die Gemeinden Alto Beni und Palos Blancos auf, der AJAM „geografisch die bergbaufreien Flächen aufzuzeigen, um sie einzugrenzen“.

2024 erreichten beide Gemeinden einen Parlamentsbeschluss des Departements La Paz, das ihre agrarökologische Ausrichtung frei von Bergbau unterstützte. Sie übergaben die Pläne ihrer Gemeinden der AJAM, um sämtliche Bergbauanträge zu beschränken.

Im selben Jahr erhob der Vizepräsident des Plurinationalen Staates Bolivien, David Choquehuanca, beim Plurinationalen Verfassungsgericht (TCP) gegen den Gemeindebeschluss von Alto Beni eine Klage wegen Kompetenzüberschreitung. Die Bergbaurechte fielen in die „ausschließliche Zuständigkeit“ der nationalen Regierung und nicht in die der Gemeinde, argumentierte er. Diese Klage traf die agrarökologischen Organisationen wie ein Schlag ins Gesicht. Bei den nationalen Wahlen 2020 hatten in beiden Gemeinden mehr als 80 Prozent für die MAS und ihren Vizepräsidenten Choquehuanca gestimmt.

Die Organisationen und Vertreter*innen beider Gemeinden reisten mehrmals nach La Paz, um dem Vizepräsidenten und seinen Fachleuten zu erklären, dass sie der nationalen Regierung keinerlei Kompetenzen streitig machen wollen, dass es in ihren Gemeinden keine Bergbauaktivitäten gibt und dass sie im Falle eines Goldabbaus ihren Status als agrarökologische Gemeinden verlieren würden. Sie luden den Vizepräsidenten und Vertreter*innen der AJAM nach Alto Beni ein, um sich von dieser Tatsache zu überzeugen. Im August 2024 zogen sich der Vizepräsident und weitere Regierungsmitglieder in Alto Beni vor einer beeindruckenden Menge von 300 Vertreter*innen von agrarökologischen Bauern-, Indigenen- und Frauenorganisationen das grüne Shirt der bergbaufreien Gemeinden über.

Der Abteilungsleiter der AJAM unterzeichnete eine Urkunde, mit der alle Verfahren für Bergbaurechte in beiden Gemeinden ausgesetzt wurden. Tage später stellte er jedoch klar, dass die Aussetzung nur vorübergehend sei, bis das Verfassungsgericht die Entscheidung des Gerichts von Palos Blancos überprüft habe und der Kompetenzkonflikt zwischen der Vizepräsidentschaft und der Gemeinde Alto Beni geklärt sei. Nach einer formellen Ergänzung des Gemeindebeschlusses von Alto Beni zog die Vizepräsidentschaft die Kompetenzklage schließlich zurück. Fast zeitgleich wurde das Urteil des Verfassungsgerichts veröffentlicht, das die Entscheidung des Richters von Palos Blancos bestätigte und dahingehend erweiterte, dass der Bergbau nicht nur die Rechte der Menschen, sondern auch die Rechte des Beni-Flusses verletze.

Mit diesen beiden Gerichtsurteilen fordern die Organisationen von Alto Beni und Palos Blancos nun, dass die AJAM die Erteilung von Schürfrechten in beiden Gemeinden dauerhaft aussetzt. Außerdem haben sie dem Nationalparlament einen Gesetzentwurf vorgelegt, um Garantien für ihr agrarökologisches Anliegen zu bekommen und diesen Schutz auf andere „indigene und bäuerliche Gemeinden und Territorien mit einer ökotouristi schen und produktiven agrarökologischen Ausrichtung“ auszuweiten.

Ein Modell zum Nachahmen

Der Widerstand gegen den Vormarsch des Goldbergbaus findet nicht nur auf der Ebene von Recht und Gerichten statt. Bäuerliche und indigene Organisationen sind immer wieder auf die Straße gegangen, um Bergbauunternehmen, die sich ansiedeln wollten, aus ihren Gebieten zu vertreiben. Seit dem 11. Panamazonischen Sozialforum, das im Juni 2024 im bolivianischen Amazonasgebiet stattfand, hat sich das Beispiel dieser Gemeinden und agrarökologischen Organisationen auf andere Regionen ausgeweitet. Im Februar 2025 fand das „Erste Treffen von agrarökologischen und ökotouristischen indigenen Gemeinden und Territorien“ statt, an dem auch die Gemeinden Rurrenabaque und San Buenaventura teilnahmen. Die indigenen Territorien aus dem Norden von La Paz hatten dabei eine führende Rolle. Der Regionalrat Tsimane Mosetén des Schutzgebietes Pilón Lajas lehnt die von den Bergbaugenossenschaften mit Genehmigung der AJAM durchgeführte „vorherige Konsultation“ ab, weil damit nur durch ein paar Zugeständnisse eine Zustimmung erreicht werden soll, ohne alle indigenen Gemeinden zu berücksichtigen, die von dem Bergbau betroffen sind. Ein indigenes Territorium, das sich für bergbaufrei erklärt hat, sollte in seiner Gesamtheit respektiert und nicht durch betrügerische Konsultationen gespalten werden.

Das Konzept der freien Territorien gewinnt immer mehr an Tiefe und Stärke. Das zeigt das Beispiel des Nationalparks Yasuní in Ecuador, wo die Mehrheit der Bevölkerung dafür gestimmt hat, das Öl im Boden zu lassen. Der Kampf um vom Extraktivismus befreite Gebiete ist der Kampf um Selbstbestimmung von unten angesichts von Regierungen, die zunehmend in der Machtlogik gefangen sind und auf den Ökozid zusteuern. Die Erfahrungen von Alto Beni und Palos Blancos zeigen, dass es möglich ist, den GoldExtraktivismus zu stoppen, indem agrarökologische, nachhaltige und demokratische Alternativen auf lokaler Ebene gestärkt und ausgebaut werden.